Joachim Giesel, Porträt Fritz Willig (aus der Serie Photo-Portraits aus Hannover), Hannover, 1990.
Was macht der Herr in seinem etwas unförmigen Trenchcoat, unter dem ein weißes Hemd und eine Krawatte hervorschauen, mit einer Akte unter seinem Arm, über den auch ein schwarzes Anzugjackett hängt, bloß mitten im Birkenmoor? Und warum hält er sich an dem kümmerlichen Bäumchen fest, während er freundlich durch seine Sonnenbrille in die Kamera von Joachim Giesel lächelt? Es handelt sich um Fritz „Fredy“ Willig (* 1941), der seit 1967 Anwalt für Strafrecht ist und bis heute eine Kanzlei in Hannover Laatzen betreibt, die sich in zahlreichen Wirtschafts- und Mordprozessen einen überregionalen Namen gemacht hat. In seiner Freizeit ist er nicht nur leidenschaftlicher Anhänger und ehemaliger Präsident (1991–1993) von Hannover 96, Autor von Krimis und Sachbüchern, sondern auch engagierter Umweltschützer, der auf eigene Kosten Waldaufforstung betreibt. Das Pflanzen eines Baumes hat eine lange symbolische Bedeutung. Schon in alten Traditionen heißt es, daß jeder Mann in seinem Leben ein Haus bauen, ein Kind zeugen und einen Baum pflanzen soll. „Wer einen Baum pflanzt, wird den Himmel gewinnen“, soll der chinesische Philosoph Konfuzius schon vor über 2.000 Jahren gesagt haben. Doch Willigs ungewöhnliches Porträt erscheint 1990 in Giesels Publikation Photo-Portraits aus Hannover, also zu einem Zeitpunkt, als das Waldsterben die öffentliche Debatte bestimmt, da fast ein Drittel des deutschen Waldes davon betroffen ist. Es ist also ein Porträt von erschreckender Aktualität, das uns gleichsam befragt, welchen Beitrag wir zum Naturschutz leisten.
Martin Schieder